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JOJOs Spaziergang durch den Computer – ein Märchen

Es war einmal ein kleines Mädchen, das spielte mit einer Computer-Tastatur. Ihr Zeigefinger sprang auf die Taste mit dem J und weiter auf die Taste O. Und weil das so lustig war, noch einmal zurück auf das J und wieder auf das O. Und so entstand das Wort JOJO.

„Das macht ja richtig Spaß“, rief das Mädchen, „ob ich wohl auch bis zur zweitgrößten Taste springen kann, der Taste mit dem komischen Knickpfeil ?“

Und weil diese Taste mit dem Knickpfeil so groß ist, hat sie auch verschiedene Namen: Viele nennen sie Return-Taste oder Enter-Taste. Andere wiederum sagen dazu Eingabe-Taste oder Zeilenschaltung. Ja, das Mädchen schaffte es, die Taste mit dem Knickpfeil, die Return-Taste zu drücken. Denn das ist eine ganz wichtige Taste: Sie schließt meistens eine Eingabe ab.

Das Wort JOJO aber stand nun in einer Warteschlange in der Tastatur.

„Nur nicht drängeln!“ , brüllte jemand. „Ja gibt es denn außer mir auch noch andere Wörter?“ sprudelte es aus JOJO heraus. „Was denkst Du denn? Meinst Du vielleicht, Du bist allein auf der Welt?“ zischte das Wort vor ihm. „Und sei froh, dass Du noch hier bist. Wenn Du erst mal in der Einbahnstraße zum Arbeits-Speicher fährst, dann gibt es kein Zurück mehr.  Die Tastatur ist nämlich nur ein Eingabe-Gerät.“

Und da war es auch schon passiert. Schnell wurde JOJO auf das Förderband gehoben, und es ging rasend schnell in den Arbeits-Speicher. „Ja gibt es denn so etwas? So ein Betrieb hier im Arbeits-Speicher! Und was sollen denn diese vielen kleinen Bettchen hier? Das sind ja Tausende, über Tausende und alle genau aufgestellt, wie auf einem Schachbrett! Und in jedem Bettchen liegt oder sitzt ein Wort!“, fuhr es ganz erstaunt aus JOJO heraus.

„Mach den Mund zu! Du bist wohl neu hier, was?“ quäkte das Wort neben ihm. „Ja, aber ich bin ein ganz wichtiges Wort. Ich werde noch viele Tage und Monate gebraucht“ , gab JOJO trotzig zur Antwort. „Hahaha, habt Ihr das gehört, ich lach‘ mich kaputt. Der ist ganz neu hier und bildet sich schon ein, er würde noch Tage oder gar Monate gebraucht.“ Wie ein Lauffeuer verbreitete sich das Gelächter durch den Arbeits-Speicher. War das ein Lärm.

„Was ist denn das für ein unmöglicher Krawall hier?“ brüllte eine gewaltige Stimme durch den Arbeits-Speicher. Sofort war es mucksmäuschenstill. „Wer ist denn das?“, flüsterte JOJO. „Was, den kennst Du nicht?“ hauchte das Wort neben ihm. „Das ist der Haupt-Prozessor. Er ist der Wichtigste im ganzen Computer. Manche nennen ihn auch CPU , das bedeutet Central Processing Unit. Wir nennen ihn aber alle Prozessi. Er führt hier das Kommando, ihm gehorcht jeder.“

„Also, was war los?“ klabauterte Prozessi, der Haupt-Prozessor. „JOJO, der Neue, bildet sich ein, er wäre etwas Besonderes.“ schnarrte das Wort im Bett 65.536, „Dabei ist der doch bisher nur im Arbeits-Speicher. Und wenn nun der Computer abgeschaltet wird, wenn also der Strom ausgeht, na dann gute Nacht, da möchte ich nicht in seiner Haut stecken. Da ist der nämlich weg vom Fenster.“ „Mhm, da hast Du allerdings recht.“ brummte Prozessi. Alle duzten sich im Computer. Das haben nämlich seine Erfinder aus dem Silicon Valley in Kalifornien auch getan.

„JOJO komm doch mal her“! Anscheinend hatte Prozessi heute mal wieder seinen kommoden Tag. „Ich habe grad‘ mal etwas Zeit und werde Dir jetzt die wichtigsten Teile eines Computers zeigen. Ich bin nämlich der einzige, der überall hindarf.

Also wir sind jetzt hier im sogenannten Haupt- oder Arbeits-Speicher. Die Fachleute nennen ihn auch RAM. Das ist die Abkürzung für Random Access Memory, also ein wahlfreier Zugriffs-Speicher. Ich kann nämlich wahnsinnig schnell rechnen, aber ich kann mir kaum etwas merken. Ich lasse die Wörter aus dem RAM holen, lese sie, verarbeite sie blitzschnell und lasse sie wieder zurückschreiben, also wieder zurück ins Bettchen.“

„Ja aber wieso Haupt-Speicher?“, plapperte JOJO dem ehrwürdigen Prozessi vorwitzig dazwischen, „gibt es auch noch andere Speicher?“ „Na klar! Wenn nämlich der Computer ausgeschaltet wird, dann wird es hier im RAM so dunkel, dass kein Wort im Bett überleben kann. Dann verliert der Haupt-Speicher sein Gedächtnis. Deswegen werden die Wörter, die morgen, nächste Woche oder nächstes Jahr noch einmal gebraucht werden, auf magnetischen Speichern abgelegt.“

„Ja aber was soll das denn?“ empörte sich JOJO. Auf ihrem Rundgang waren sie an eine hohe Mauer gestoßen. „An der Tür steht ja ‚Nur Ausgang‘. Gib es denn dort keinen Eingang?“

„Nein für Euch Wörter nicht. Ich bin der einzige, der dort hinein darf. Das ist zwar auch ein Speicher, aber ein Nur-Lese-Speicher. Die Fachleute, die ja für alles eine englische Abkürzung haben, nennen ihn ROM, Read Only Memory. Wie Du schon weißt, kann ich mir kaum etwas merken, und so muss ich mir hier im ROM, die wichtigsten Vorschriften abholen. Denn in einem Computer muss alles streng nach Vorschrift gehen, sonst gibt es ein Riesendurcheinander. In diesem ROM kann selbst ich nur lesen, und, auch wenn ich wollte, das Schreiben wird mir dort unmöglich gemacht.“ Nun ja, JOJO musste sich mit der Erklärung zufrieden geben.

„He, das Förderband kenn‘ ich ja schon von der Tastatur her!“, freute sich JOJO. Endlich hatte er etwas Bekanntes entdeckt. „Jaja, es sieht genauso aus, aber es ist ein anderes Band. Es ist auch wieder eine Einbahnstraße, diesmal nur in die andere Richtung, nur für die Ausgabe auf dem Bildschirm. Der Bildschirm ist also ein Ausgabe-Gerät. Hier hast Du eine Karte und einen Schreiberling. Du schreibst jetzt Deinen Namen darauf und legst die Karte auf das Förderband.“

Ach, wie die Farbe von dem Schreiber duftet. Ganz verträumt schaute JOJO den Stift an. „Nein, gib her! Das dauert mir ja viel zu lange. Ich mach’s lieber selber, wie sonst auch.“ Ärgerlich nahm Prozessi JOJO das Schreibzeug wieder weg. „Ich bringe die Wörter auf den Bildschirm immer wieder neu, 70 mal in der Sekunde. Du machst das viel zu langsam!“ „Warum muss das denn so schnell gehen?“ wendete JOJO ganz betroffen ein. „Siehst Du das kleine Mädchen da draußen vor dem Bildschirm? Nun, sie würde Kopf- und Augenschmerzen bekommen, wenn ich das langsamer machen würde. Das Bild würde dann flimmern. Besser wäre es sogar, wenn es noch schneller ginge. Und übrigens…“

„Ja und übrigens…“, plapperte JOJO dazwischen.

„Übrigens ist 70 mal in der Sekunde für mich überhaupt noch keine Geschwindigkeit. Pah, ich tue 90 Millionen mal etwas pro Sekunde.“ triumphierte Prozessi. 90 Millionen mal pro Sekunde. JOJO wurde es total schwindelig bei dieser unvorstellbar großen Zahl. „Die Fachleute nennen das die Taktfrequenz , bei mir 90 MHz. Und es gibt Kollegen, die tun etwas 150 oder gar 200 Millionen mal in der Sekunde. Denen wird es dann aber auch schon ganz schön heiß. Ich würde dabei kaputt gehen.“ Anscheinend war Prozessi ganz froh, nicht so schnell arbeiten zu müssen, wie ein paar seiner Kollegen. Freilich gibt es auch noch viele, die viel langsamer sind als er.

„Nun müssen wir aber weitergehen. Komm, ich muss Dich doch noch dauerhaft ablegen, auf einem magnetischen Speichergerät.“ „Magnetisches Speichergerät, Magnetisches Speichergerät.“ brabbelte JOJO halblaut, „was für ein merkwürdiges Sprachgebilde.“ „Na ja, Du hast ja recht. Wir nennen die Dinger auch immer nur Laufwerke. Aber es ändert nichts daran, dass sie die Wörter eben magnetisch festhalten.“

„Laufwerkeeeee? Ja gibt es davon etwa mehrere im Computer?“ ungläubig schaute JOJO zu Prozessi hoch. „Und muss ich etwa darin die ganze Zeit herumlaufen?“ „Ach geh, Duuu doch nicht! Die Laufwerke laufen…, ach Schmarrn, Du bringst mich ja schon ganz durcheinander, natürlich laufen nicht die Laufwerke, sondern im Inneren drehen sich Scheiben und diese Scheiben sind magnetisch beschichtet. Die meisten Computer haben mindestens zwei Laufwerke, manche sogar drei oder noch mehr. Aber jetzt sind wir ja auch schon da. Da kannst Du es dir ja selbst anschauen“.

„Das sieht hier aus, wie auf einem Rangierbahnhof!“ staunte JOJO nicht schlecht. „Ja das stimmt. Hier werden die Wörter nicht nur auf den Laufwerken abgespeichert, es wird also nicht nur geschrieben, sondern sie werden bei Bedarf auch wieder in den Arbeits-Speicher zurückgeholt. Es wird also auch gelesen. Ich kann nämlich selbst die Wörter nur aus dem Arbeits-Speicher, also aus dem RAM lesen.

Für den Hin- und Rücktransport zwischen RAM und den Laufwerken habe ich ein paar Rangierarbeiter, ein paar ‚Hilfsknechte‘. Außerdem hab ich ja schließlich auch noch wichtigere Dinge zu tun.“ „Aber einige Rangierarbeiter tun ja gar nichts. Der Arbeiter dort drüben, an der einzelnen Platte, der scheint sogar zu schlafen,“ wunderte sich JOJO.

Klingelingeling Ringdingdong… Eine furchtbar schrille Glocke ertönte. „He, Du Faulpelz aufgewacht!“ rief Prozessi. „Das kleine Mädchen will JOJO abspeichern. Bring schon mal Deine Platte in Schwung. Und hol Dir dann eine Kopie von JOJO aus dem RAM.“ Jetzt kam Leben in die Bude.

„Und wenn das kleine Mädchen Dir nun nicht befohlen hätte, für das Abspeichern zu sorgen, wäre dann jetzt meine Kopie trotzdem auf der Platte?“ Prozessi schluckte, „Jetzt hat mich der Bursche doch noch auf dem linken Fuß erwischt“. „Also weißt Du, es ist so.“ druckste Prozessi herum. „Nein, Du wärst dann nicht abgespeichert worden. Ich allein kann das nämlich gar nicht veranlassen. Da muss immer ein Befehl von ganz oben kommen. Aber das kleine Mädchen kennt sich ja aus. Sie hat an das Abspeichern gedacht. Das ist wahnsinnig wichtig.“ Prozessi war schon wieder ganz in seinem Element.

„Ha, haha, hahaha“. Prozessi bog sich vor Lachen. „Ich muss gerade an die vorige Woche denken. Der Vater von dem Mädchen hatte den ganzen Tag am Computer gearbeitet. Und abends schaltete er den Computer ab, ohne abzuspeichern. Nur weil die Mutter so gequengelt hatte, ob er denn nicht endlich mit ins Kino gehe. Die ganze Tagesarbeit war natürlich futsch. Ich habe mir schon ab Mittag gedacht, ’na, wenn das nur gut geht‘. Es sollte nämlich spätestens jede Stunde gespeichert werden. Der Vater musste am nächsten Tag die ganze Arbeit vom Vortag wieder eintippen.“

JOJO fand das alles gar nicht so witzig. Denn wenn er nicht abgespeichert worden wäre, hätte er den heutigen Tag auch nicht überlebt. Aber seine Gedanken gingen schon wieder weiter. „Du hast mir doch gesagt, dass sich die Platten in den Laufwerken immer drehen. Aber die eine Platte lag völlig ruhig da.“ verzog JOJO das Gesicht. „Ja Du hast ja recht. Weißt Du, in Wirklichkeit ist alles viel komplizierter. Und ich habe versucht, es Dir so einfach wie möglich zu erklären. Sonst hättest Du doch nur Bahnhof verstanden.“ In einem väterlichem Ton versuchte Intel, JOJO wieder aufzumuntern. „Das ist übrigens das Disketten-Laufwerk. Da können zwischen 360.000 und 1,44 Millionen Zeichen gespeichert werden, je nachdem, um welchen Typ es sich handelt. Manche nennen die Diskette auch Floppy-Disk , schlaffe Scheibe.“

„Und was ist das für ein anderes Laufwerk dort drüben, mit den drei Scheiben übereinander? Aber die drehen sich doch dauernd.“ JOJO schien immer noch ein ganz klein wenig eingeschnappt. „Ja die drehen sich dauernd. Das ist die Festplatte. Ich habe auch schon manchmal Festspeicherplatte und Harddisk gehört. “ „Und wieso heißt sie Festplatte? Müssen sich da alle Wörter festhalten, um nicht von der schnell drehenden Scheibe zu fallen?“ „Nein, nein dafür gibt es andere Gründe. Einmal ist die Festplatte fest im Computer eingebaut, während eine Diskette rausgenommen und ausgetauscht werden kann. Und zum anderen sind die Scheiben aus ganz festem Material und nicht beweglich, wie bei einer Diskette.“  „Ach so,“ das schien JOJO einzuleuchten. „Außerdem kann die Festplatte viel mehr speichern, als eine Diskette. So zwischen 200 Millionen und drei Milliarden Zeichen, je nach Preislage.“

JOJO  hatte sich bereits an diese riesigen Zahlen gewöhnt. Ihn konnte nichts mehr erschüttern. „Aber wie viel Seiten wären das denn auf einer Schreibmaschine?“ fragte er. „Jaja, die gute alte Schreibmaschine,“ entgegnete Prozessi. „Na so zwischen 70.000 und 1 Million Seiten. Ich sagte ja schon, je nach Preislage.“ JOJO war tief beeindruckt.

Klingelingeling Ringdingdong… Schon wieder diese furchtbar schrille Glocke. „He, Ihr da, Ihr Rangierarbeiter, Ihr müsst JOJO auch noch auf der Festplatte abspeichern. Das kleine Mädchen hat mir gerade den Befehl dazu gegeben,“ kommandierte Prozessi und wendete sich dann wesentlich freundlicher wieder an JOJO. „Ja, jetzt kann Dir nichts mehr passieren. Das Mädchen kennt sich aus. Doppelt gemoppelt hält besser. Jetzt bist Du auf beiden Laufwerken gespeichert.“ „Wieso ist das besser?“ fragte JOJO. „Nun, ein Laufwerk kann ja mal kaputt gehen. Und dann gibt es immer noch eine Sicherungs-Kopie.“ JOJO freute sich, dass er jetzt auch noch abgesichert war.

„Aber so langsam muss ich Dich jetzt verlassen. Schließlich wartet viel Arbeit auf mich. Wir sehen uns ja sowieso immer wieder. Also dann pfüat di und mach’s gut“. Prozessi drängte zum Gehen. „Halt warte doch, noch eine Frage! Wird hier im Computer eigentlich nie gefeiert?“ wollte JOJO unbedingt noch wissen. „Doch ab und zu. Vor allem wenn ein Anfänger am Computer sitzt. Dann fassen wir uns im RAM alle an den Händen und machen einen Kreistanz. Und keiner kann uns stören.“

„Ja und dann?“, JOJO platzte fast vor Neugier. „Nun, da ärgert sich natürlich der Anfänger. Und vor lauter Wut schaltet er den Computer einfach ab. Ihm bleibt auch gar nichts anderes übrig.“ „Aber das ist ja furchtbar“, erschrak JOJO. „Nein, nein, halb so wild, meistens wird der Computer schon nach kurzer Zeit wieder eingeschaltet, und alles verläuft wieder streng nach Vorschrift.“ „Da bin ich aber beruhigt“, brachte JOJO erleichtert hervor. „Also dann Ciao und vielen Dank auch für die tolle Führung.“

© Seminarunterlagen-Verlag Helmut Dettmer, Kapellen 1992.


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